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Die Waisenhausdruckerei in Halle

Von Anfang an hatte Johann Heinrich Zedler bei der Herstellung seines Universallexikons mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. So vor allem mit dem erbitterten Widerstand der etablierten Leipziger Verlegerfamilien gegen das Lexikon, das sie als wirtschaftliche Konkurrenz scharf bekämpften. Der langjährige Privilegienstreit, der folgte und ihm die Drucklegung in Kursachsen praktisch unmöglich machte, trieb den jungen Verleger schließlich zur technischen Herstellung seines Werkes aus Leipzig über einen kurzen Abstecher ins ebenfalls kursächsische Delitzsch, wo der Buchdrucker Vogelsang für ihn tätig wurde, ins preußische Halle. Dort fand er in der zu den Halleschen Stiftungen August Hermann Franckes (1663 - 1727) gehörenden Waisenhaus-Druckerei die geeignete Offizin zur technischen Durchführung seines ehrgeizigen Projektes. Treibende Kraft dieser Entscheidung Zedlers war wohl dessen engagierter Fürsprecher Johann Peter von Ludewig. Der Kanzler der Halleschen Universität ist Verfasser der Vorrede zum ersten Lexikonband und agierte als Zedlers juristischer Beistand im Privilegienstreit. Außerdem war er leitender Mitarbeiter des Kuratoriums über das Waisenhaus.

Seit 1695 hatte der umtriebige Pietist August Hermann Francke planmäßig den Aufbau eines Verlages vorangetrieben - beginnend mit dem Vertrieb seiner Predigten. Franckes Schriften erwiesen sich als echte Bestseller. Im Jahre 1699, kurz nach der Grundsteinlegung des Waisenhauses, wurde ihm vom damals brandenburgischen Kurfürsten und späteren preußischen König Friedrich I. ein Generalprivileg für den Betrieb einer Buchhandlung und Buchdruckerei erteilt. Allerdings beschränkte man sich zunächst auf den Buchhandel. Die Leitung übernahm Heinrich Julius Elers (1667 - 1728), ein enger Weggefährte Franckes. Obwohl der Theologe den Buchhandel nicht gelernt hatte, erwies er sich als äußerst fähiger Geschäftsmann. Die Produktpalette wurde rasch erweitert und die Buchhandlung zu einer nicht zu verachtenden Einnahmequelle des Waisenhauses. Als die Druckereien in Halle Elers' Aufträge nicht mehr zufriedenstellend bearbeiten konnten, entschloss sich Francke zur Einrichtung einer eigenen Buchdruckerei. Am 28. Juli 1701 kaufte er zwei Druckerpressen aus der Halleschen Offizin Christian Henckels und 1702 nahmen diese in den Kellerräumen des Waisenhauses ihre Arbeit auf. Erster Faktor war der Quedlinburger Drucker Sievert. Im Jahre 1711 wurde Eduard Hartmann Faktor der Buchdruckerei. Als Elers 1728 starb, übernahm Johann Heinrich Zopf bis 1740 dessen Position.

Zur Zeit Zopfs verfügte die Waisenhaus-Druckerei bereits über vier gangbare Pressen. Wegen des steigenden Papierbedarfs hatte man schon 1725 die Kröllwitzer Papiermühle erworben. Urban, der leitende Druckmeister dieser Zeit, war mittlerweile Herr eines regelrechten Großbetriebs. Und spätestens seit den Bibeldrucken des Freiherrn von Canstein hatte man in Halle allerhand Erfahrungen mit auflagenstarken Druckwerken. Ein idealer Ort zur Herstellung von Zedlers Großwerk. Während Zopfs Amtszeit, nämlich zwischen 1731 und 1738, wurde das Universallexikon ausschließlich im Waisenhaus gedruckt. Zwar war es zu dieser Zeit durchaus üblich, Druckaufträge auf verschiedene Offizinen zu verteilen, doch beim Universallexikon sah die Sache anders aus. Der andauernde Privilegienstreit und die wachsamen Augen der Konkurrenz verhinderten, dass beispielsweise Zedlers Leipziger Hausdrucker Zschau zusätzlich am Lexikon arbeiten konnte. Erst seit dem 13. März 1738 konnte Zedler wieder ungestört in Leipzig drucken. Allerdings wurde wohl auch noch nach 1738 zumindest teilweise in Halle weitergedruckt. Immerhin ist die Ortsangabe Halle auf allen Lexikonbänden zu finden.

Literatur:

  • Bertram, Oswald: Die Buchhandlung und die Buchdruckerei, in: Die Stiftungen August Hermann Fanckes in Halle. Festschrift zur zweiten Säcularfeier seines Geburtstages, hrsg. v. d. Direktorium der Franckeschen Stiftungen, Halle 1863, S. 239 - 249
  • Druckerschwärze und Goldtinktur. Zum 300jährigen Jubiläum der Apotheke und der Buchhandlung des Waisenhauses zu Halle, Heft 2: Die Waisenhaus-Buchhandlung, bearb. v. Brigitte Klosterberg, Sonderausstellung anläßlich der Festtage zum Doppeljubiläum 300 Jahre Apotheke und Buchhandlung des Waisenhauses zu Halle, 16. April bis 1. Juni 1998
  • Juntke, Fritz: Johann Heinrich Zedlers Grosses Vollständiges Universallexikon. Ein Beitrag zur Geschichte des Nachdruckes in Mitteldeutschland, in: Juntke, Fritz: Zu seinem 70. Geburtstag am 3. September 1956. Verzeichnis seiner 1913 - 1956 veröffentlichten Druckschriften, bearb. v. Gottfried Langer, Halle/Saale 1956, S. 13 - 32
  • Quedenbaum, Gerd: Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler. 1706 1751. Ein Buchunternehmer in den Zwängen seiner Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Buchhandels im 18. Jahrhundert, Hildesheim, New York 1977
  • Raabe, Paul: Der Unternehmer und Gründer wirtschaftlicher Betriebe. 1698 - 1727, in: Vier Thaler und sechzehn Groschen. August Hermann Francke. Der Stifter und sein Werk, Ausstellung im Hauptgebäude der Franckeschen Stiftungen vom 21. März 1998 - 31. Januar 1999, Kataloge der Franckeschen Stiftungen, Bd. 5, Halle/Saale 1998, S. 157 - 181
  • Schmidt, Rudolf: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Beitrag zu einer Firmengeschichte des deutschen Buchgewerbes, 6 Bde. in einem Band, Hildesheim, New York 1979, S. 134 - 138 u. S. 200 - 202

[Kai Lohsträter]


© Redaktion Zedleriana 2002  Zum Seitenanfang