Rezension des Aufsatzes:
Kossmann, Bernhard: Deutsche Universallexika des 18. Jahrhunderts. Ihr Wesen und ihr Informationswert, dargestellt am Beispiel der Werke von Jablonski und Zedler, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 24/89 (1968), Sp. 2946-2969
Obwohl Bernhard Kossmann seinen Aufsatz vor allem aus dem praktischen Motiv heraus geschrieben haben will, den heutigen biographischen und bibliographischen Informationswert von Nachschlagewerken des 18. Jahrhunderts zu bestimmen, beschränkt er sich in seiner Untersuchung bewusst auf die Analyse von alphabetisch geordneten Enzyklopädien und konzentriert sich in diesem Zusammenhang besonders auf eine - wohl vergleichend gemeinte - Gegenüberstellung von Zedlers Universal-Lexicon und Jablonskis Vorgängerprodukt. Der Grund für diese auffallende Selbstbeschränkung angesichts eines doch weiter gesteckten Ziels dürfte darin zu sehen sein, dass es sich bei dem vorliegenden Aufsatz 'nur' um eine Prüfungsarbeit für die Zulassung zum höheren bibliothekarischen Dienst handelt, allerdings um eine wohl für so gut befundene, dass sie im renommierten Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel publiziert wurde.
Mit einem knappen Überblick über die drei verschiedenen Typen von Nachschlagewerken, welche die Zeitgenossen kannten, führt Kossmann den Leser an die Materie seiner Darstellung heran; dabei erwähnt er naturgemäß die hier nicht behandelten Konversations- und historischen Lexika eher streiflichtartig, um die im Fokus seiner Ausführungen stehenden Universallexika um so ausführlicher zu charakterisieren (nämlich als aus der zeittypischen Verwissenschaftlichung erwachsene Versuche, alle Wissensgebiete zu einem überschaubaren Ganzen zu verklammern). Überraschen muss jedoch, dass Johann Theodor Jablonskis Allgemeines Lexicon der Künste und Wissenschaften (1721), dessen folgende Analyse doch einen der beiden Schwerpunkte von Kossmanns Aufsatz ausmachen soll, vom Autor eher kursorisch behandelt wird: In lediglich sechs Spalten - die Untersuchung des Zedlerschen Universal-Lexicons füllt 29 davon - drängen sich gerafft wirkende Darlegungen zur Biographie Jablonskis sowie zu Aufbau und Inhalt seines Werkes, die sich schnell zusammenfassen lassen: Es handelt sich um ein trotz gewisser Eigentümlichkeiten hinsichtlich des Aufbaus relativ übersichtliches Reallexikon mit kurzen, bibliographisch nicht zufriedenstellenden Artikeln, die sich vor allem auf den praktisch-gesellschaftlichen Bereich und die Naturkunde konzentrieren. Alles in allem erhält der Leser so den (von Kossmann allerdings vehement bestrittenen) Eindruck eines Konversationslexikons, das nur schwerlich gegenüber dem 'Zedler' bestehen kann und wohl gerade deshalb nur eine verknappte Vorstellung lohnte.
Das Universal-Lexicon wird denn auch von vornherein weit ausführlicher durchleuchtet, nicht nur hinsichtlich seiner verwirrenden Entstehungsgeschichte, sondern auch bezüglich seiner Verleger - Kossmann würdigt in diesem Zusammenhang bemerkenswerterweise den in anderen Darstellungen meist nur am Rande erwähnten Konkursverwalter Johann Heinrich Wolf -, der Hauptredakteure und der neuartigen Organisation der redaktionellen Arbeit. Oft vernachlässigte Äußerlichkeiten wie die (Kossmann zufolge kein barockes Selbstverständnis mehr verratenden) Formulierungen auf dem Titelblatt werden im folgenden ebenso untersucht wie die Widmungen und Vorreden der Einzelbände; letzteres führt Kossmann jedoch bei seinen Mutmaßungen bezüglich der Zielsetzungen Zedlers nicht über Gemeinplätze hinaus, was er sich selbst durchaus eingesteht.
Größerer Wert muss hier der anschließenden Analyse des Lexikoninhalts und seiner Quellen beigemessen werden: Kossmann zufolge unterscheidet sich das die Welt 'nur' katalogisierende Universal-Lexicon grundlegend von Diderots Encyclopédie, welche die Welt verändern sollte; seine Artikel - deren Schwerpunkte in Geographie, Biographie und Philosophie liegen - stellen trotz enger Anlehnungen an Vorlagen keinesfalls Nachdrucke dar, da sie vor allem im bibliographischen Bereich oft viel ausführlicher gehalten sind. Die auf diese Feststellungen folgenden Passagen bezüglich speziell bibliothekswissenschaftlicher Interessensgebiete (Typographie, Ordnungselemente und Artikelaufbau) warten mit ebenso erhellenden Einsichten auf. Die genannten Themenbereiche konnte der Autor angesichts des Umfangs des Universal-Lexicons nur mehr exemplarisch untersuchen, was auch für die abschließende Analyse hinsichtlich des Informationswertes dieses Nachschlagewerkes gilt: Kossmanns Ergebnis, dass im 'Zedler' erfreulich viele zuverlässige Angaben zeitgenössischer Literatur zu finden seien (die jedoch meist als Belege verstanden worden seien, und nicht als Verweise auf weiterführende Lektüre), wird von keinem regelmäßigen Benutzer des Universal-Lexicons bestritten werden. Der Befund ließ sich in der vorliegenden Untersuchung allerdings nur mit einer begrenzten Analyse von Artikeln philosophischen Inhalts abstützen.
An diesem Punkt bricht der Aufsatz recht unvermittelt ab. Der Leser vermisst mithin ein Fazit, das die in der Rückschau doch einigermaßen verwirrende Fülle der insgesamt wertvollen Detailergebnisse kompakt zusammenfassen und den als Spezialuntersuchung angelegten Aufsatz in einen größeren Zusammenhang einordnen würde. Die aufgrund des Titels der Arbeit zu erwartende Gegenüberstellung von 'Jablonski' und 'Zedler' wäre allerdings auch eher unbefriedigend ausgefallen. Während die ungleichgewichtige Schwerpunktsetzung des Aufsatzes sowie das Fehlen eines Fazits zu bedauern sind, kann Kossmanns Aufsatz ansonsten als eine nützliche Einführung in die behandelte Thematik dienen: Die Betrachtungen werden stets unter Bezugnahme auf einschlägige (vornehmlich bibliotheks-)wissenschaftliche Darstellungen solide untermauert, auch werden zeitgenössische Quellen bei passender Gelegenheit in die Überlegungen miteinbezogen (wenngleich dabei keine neuen Archivalien erschlossen werden), und ein abschließendes Verzeichnis der verwendeten Literatur erleichtert den Zugang zu vertiefender Lektüre.
[Christof J. Heymann]
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