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Rezension des Aufsatzes:

Rüffler, Alfred: Die Pressezensur und Zedlers Universal-Lexicon im vorpreußischen Breslau, in: Schlesische Geschichtsblätter, Jahrgang 1927, S. 63-66

Rüfflers miszellenartig knapper Aufsatz gibt sich als eine Untersuchung des Einschreitens lokaler Zensurbehörden in der Frühen Neuzeit aus, wobei das Vorgehen gegen Zedlers Universal-Lexicon lediglich als konkretes Anschauungsmodell gewählt wurde. Gestützt auf nur wenige Archivalien, vor allem jedoch auf zum Publikationszeitpunkt einschlägige (heute wohl eher überholte) wissenschaftliche Darstellungen, konzentriert sich Rüffler dabei auf zwei kurios anmutende Zusammenstöße Zedlers mit der Breslauer Zensurbehörde. Zum einen wird die Beanstandung bereits des ersten Bandes des Universal-Lexicons durch den Fürstentag im Jahre 1732 - eigentlich gegenstandslos, da sich auf keine konkreten Klagen beziehend - beschrieben, auf die Zedlers Vertreter vor Ort angeblich umgehend reagieren konnte, indem er unverfänglichere Druckbögen vorlegte - ein Fall vorauseilender verlagseigener Selbstzensur also, für den Rüffler allerdings keinerlei stichhaltige Befunde in den vorhandenen Exemplaren des Nachschlagewerkes zu finden vermochte. Zum anderen macht Rüffler aufmerksam auf die Rügen des Oberamtes bezüglich der Lexikonbände 18 und 20 im Jahre 1739, deren Folgen "in der Geschichte der Preßfreiheit ein ziemliches Kuriosum" (66) darstellen: Die Zensurbehörde selbst ließ diesmal bereinigte Bögen drucken und mahnte die Subskribenten, diese abzuholen und in ihre Buchexemplare einzufügen. Rüfflers süffisante Feststellung, dass lediglich Katholiken dieser Weisung gefolgt seien, wird zwar mit Belegen untermauert, verdeutlicht aber dennoch seine letztlich tendenziöse Absicht.

Im Grunde nämlich stellt sich der Aufsatz als nur notdürftig verhüllte Polemik gegen den Katholizismus und Produkt borussistischer Geschichtsschreibung dar. Rüffler muss zwar eingestehen, dass Zensur im 18. Jahrhundert allgegenwärtig gewesen sei; aber er betont besonders, dass die Breslauer Behörde "durchaus jesuitisch geleitet" (63) war. Und angesichts des auch heute noch vielfach beobachtbaren Misstrauens gerade diesem Orden gegenüber wird schnell klar, weshalb Rüffler sich ausgerechnet mit den eher unbedeutenden (weil letzten Endes folgenlosen) Zusammenstößen Zedlers mit den Breslauer Zensoren befasste: Aufgrund der unfreiwilligen Komik im Vorgehen gegen Zedlers Universal-Lexicon, das Rüffler schwülstig, aber doch zu Recht als "ein echtes Erzeugnis und Zeugnis der protestantischen Aufklärung" (63) preist, müssen die katholischen Zensoren zwangsläufig als kleinlich und engstirnig erscheinen - eine nur zu offensichtlich gewünschte Folie, vor der die Annexion Schlesiens durch Friedrich II., obwohl hier nur beiläufig erwähnt, viel von ihrer Unrechtmäßigkeit verliert, denn "als erst der junge Preußenkönig hier seinen Einzug genommen hatte, war es mit allen Zensurschmerzen vorbei" (66). Obwohl lediglich eine eng begrenzte Spezialthematik behandelnd und derart tendenziös, hat Rüfflers Aufsatz dennoch einen gewissen Wert: Der Forschung zu Zedlers Universal-Lexicon werden darin anschaulich zwei aus dem Rahmen des Üblichen fallende Reaktionen auf das Nachschlagewerk vorgestellt. Und mit seinem Kommentar dazu, dass protestantische Kreise der Aufforderung des Oberamtes zum Abholen der bereinigten Lexikonseiten nicht gefolgt seien, nimmt Rüffler bei aller antikatholischen Polemik schon 1927 im Grunde die sehr moderne These von Ohnmacht bzw. Nichtexistenz des Absolutismus vorweg: "[E]in Beweis mehr dafür, daß der Arm der Obrigkeit bei weitem nicht überallhin reichte." (66)

[Christof J. Heymann]

© Redaktion Zedleriana 2002  Zum Seitenanfang