Kommentar zum Artikel:
"Buchhändler, Buchführer, Bibliopola, Libraire, Marchand libraire" (Zedler Bd. 4, Sp. 1766)
In Erinnerung der Tatsache, dass Johann Heinrich Zedler selbst Buchhändler war und dass der Buchmarkt schon vor der Mitte des 18. Jahrhunderts eine bedeutsame medienhistorische Position einzunehmen begann, referiert der Artikel die Definition und Wertung des Buchhändlers in erstaunlicher Kürze. "Buchhändler" verwendet der Autor synonym zu "Buchführer", einem Begriff, der in vorigen Jahrhunderten erste Bücherreisende bezeichnete und als eigentlicher Vorläufer zum Sortimentsbuchhändler gelten kann. Ebenso kennt der Artikel noch keine Ausdifferenzierung zwischen dem Verlag, dessen Aufgabe heute allein die Produktion ist, und dem eigentlichen Buchhandel, der sich dem Einzelvertrieb widmet. Definitorisch begnügt man sich also damit, dass Buchhändler in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts derjenige sei, "welcher gedruckte Bücher zum Verkauf hat, und dieselben entweder selbst verlegt, oder von anderen sich handelt".
Was in den folgenden Zeilen fehlt, ist selbst ein kurzer Abriss der Geschichte des Buchhandels, die Rede ist allein summarisch von "denen alten Zeiten". Angesichts der gründlichen Länge anderer Artikel ist hier wiederum erstaunlich, dass historisch nicht ausführlich vorgegangen, also darauf hingewiesen wird, dass bereits die Antike den Handel mit Geschriebenem kannte. Der Verweis, dass vor der medienhistorischen Wende durch die Druckerpresse die Kultur der handschriftlichen Bücher stand, führt den Autor nicht zur Bemerkung, dass auf der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit das Verhältnis von Schriftlichkeit und Mündlichkeit auch ein anderes war. Dass es in "alten Zeiten" weniger Buchändler gab, ist für ihne keine Frage der Markt- und Bildungssituation, sondern allein eine ökonomische: "in den alten Zeiten liessen die Buchhändler die Bücher abschreiben; Weil aber große Kosten darzu erfordert wurden, so hatte man auch damals weniger Buchhändler". Hier artikuliert sich offensichtlich das vorhistorische Bewusstsein des frühen 18. Jahrhunderts.
Im zurückhaltenden Ton bedeutet dem Autor die Erfindung der "Buchdruckerei" nicht bereits die ihr aus heutiger Sicht zugeschriebene epochale Wende zur Wissensgesellschaft und "Gutenberg-Galaxis", wohl aber eine Andeutung derselben. Indem es nun möglich sei, "auch aus entfernten Landen die besten Bücher" zu erhalten, wird der Buchhändler zum Garant des Wissenstransfers. Dass die bereits in Leipzig zu dieser Zeit als Zentrum des europäischen Buchhandels etablierte Messe in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielte, wird nicht erwähnt. Interessant ist zudem der moralische Impetus: "geschickter" Buchhändler sei nicht derjenige, der das Verhältnis von Angebot und Nachfrage für den bestmöglichen ökonomischen Gewinn zu nutzen weiß, sondern jener, der aus seiner einflussreichen Position als "Wissensdistributor" das macht, "was zur Beförderung guter Wissenschaften und Künste dienet". Daraus resultiert die Nützlichkeit, der hohe moralische Stand und die Relevanz des Buchhändlers für die Gegenwart des "Jahrhunderts des Buches".
[Flemming Schock]
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