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Vorstellung des Zedler'schen Universal-Lexikons als "Buch des Monats" (Dezember 2000 / Januar 2001) der Bibliothek des Deutschen Museums, München

Von Stephan Metzger *

Die Menschheit hat über die Jahrhunderte ein riesiges Wissen aufgehäuft, vor allem in den letzten zweihundert Jahren. Im Kopf des einzelnen Menschen ist davon aber nur ein verschwindender Bruchteil gespeichert. Würden wir wie Robinson auf eine Insel verschlagen, müßten wir erschreckt konstatieren, wie wenig wir allein über unsere natürliche Lebensumwelt wissen.

In einer Zeit der Internet-Euphorie glauben manche schon, man könnte ohne Schaden die Bibliotheken abschaffen. Ein totaler Irrtum!

Seit es Menschen gibt, besteht das Problem der Wissenstradierung. Als der Umfang des Wissens zu groß wurde, um auswendig gelernt zu werden, ging man dazu über, es schriftlich niederzulegen, auf Schrifttafeln, auf Schriftrollen, in Pergamentcodices, schließlich in gedruckten Büchern. Die Bibliothek von Alexandria verwahrte um die Zeitenwende rund 700.000 Bücher (oder Schriftrollen). Eine solche Datenfülle wird erschlossen durch Kataloge, Bibliographien und Lexika oder Enzyklopädien.

In dem griechischen Wort "Enkyklopaidaia" kommt ein abendländisches Bildungsideal zum Ausdruck. Es meint den "Bildungskreis", den ein freier Mann durchlaufen haben sollte, bevor er sich seiner beruflichen Ausbildung zuwendet. Das hat mit "Studium generale", mit "Allgemeinbildung" zu tun, Werte, die heute nicht mehr sehr hoch im Kurs stehen.

Im der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde mit dem "Universal-Lexicon" des Verlegers Johann Heinrich Zedler der letzte erfolgreiche Versuch unternommen, das gesamte Wissen der Zeit in einem Werk zu bündeln. Das Unternehmen wuchs sich auf immerhin 68 Foliobände aus! Der "Zedler" war das letzte Glied einer Entwicklungskette, die mit Varros "Disciplinarum libri IX" im 1. Jahrhundert v. Chr. ihren Anfang nahm. Als man im 19. Jahrhundert noch einmal den Versuch einer universalen Enzyklopädie wagte, scheiterte man zwangsläufig. Der "Ersch-Gruber", so heißt dieses Werk, begann 1818 und mußte 1889 mit dem 167. Bd. eingestellt werden. Die Menge des Wissens war einfach zu groß geworden, um in ein Alphabet gebracht werden zu können.

Wir leben im Zeitalter der Spezialisierung. In der Zeit nach Zedler entstanden die vielen auf einzelne Fachgebiete beschränkten "Realenzyklopädien" für die Wissenschaft. Daneben entwickelten sich aus dem Hübner'schen "Zeitungslexikon" unsere modernen "Konversationslexika" für die "gebildeten Stände".

Wir wollen uns in diesem Beitrag den "Zedler", dieses Monument barocker Gelehrsamkeit, näher ansehen. Auch wenn der "Zedler" außer den Dedikationsporträts keine Illustrationen enthält, somit dem Auge wenig bietet, ist er doch so bedeutend, daß wir uns trotzdem ein wenig Zeit für ihn nehmen sollten

Beispielseiten:


Titelblatt von Bd. 1.
Es handelt sich um den Hallenser Nachdruck von 1732. Die Leipziger Erstauflage von 1731 wurde auf Betreiben von Zedlers Konkurrenten durch die Bücherkommission beschlagnahmt.
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Widmungsporträt von "Carl VI., Erwehltem Römischen Kayser" aus Bd. 1.
Zedler betreibt eine gezielte Widmungspolitik, um durch fürstliches Wohlwollen sein Unternehmen abzusichern. 1731 beantragte Zedler ein kaiserliches Privileg auf 12 Jahre. Im Widmungstext ist zu lesen:
"... ie mehr ich mich überzeugen konnte, daß das Höchste Wesen selbst sich kaum iemahls in einem Monarchen schöner als in dem heutigen Großmächtigen Beherrscher des Reichs ... gespiegelt."
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Widmungsporträt von "Friederich Wilhelm, König in Preussen ... Souverainen Printzen in Neufchatel ..." aus Bd. 2.
1731 beantragte Zedler ein preußisches Privileg auf 5 Jahre. Über die Persönlichkeit Friedrich Wilhelm I. (reg. 1713-1740) entnehme ich aus einem Lexikon: "Tief religiös, aber derb und verfeinerter Hofkultur abgeneigt. Lehrmeister der preußischen Staatsnation. Fordert unbedingten Gehorsam. Berühmt ist sein Ausspruch: 'Die Seele ist für Gott, alles andere muß mein sein!'" Daß der König von Preußen auch Prinz von Neuchâtel war, sollte sich später für die Enzyklopädisten als wichtig erweisen. Hier bot ihnen der liberale Friedrich d.Gr. Schutz vor der französischen Zensur.
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Eröffnungskupfer aus Bd. 2.
Vor jedem Alphabetanfang hat der "Zedler" ein allegorisches Kupfer. Es gibt einige unterschiedliche Motive, die sich später wiederholen.
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Zedlers erstes Verlagsprodukt sei wegen Kardinal Ratzingers jüngster Verlautbarung betreffend den absoluten Vorrang der katholischen Kirche kurz zitiert: "Johann Gotthard Beyers Usprüngliche Quellen des Indifferentismi Oder Ursachen der närrischen Meynung: Man kann in allen Religionen seelig werden, Zur Bevestigung der Warheit und Ausrottung der Irrthümer. Leipzig, Verlegts Johann Heinrich Zedler, 1727".

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* Der vorliegende dreiteilige Beitrag ist zuerst im Dezember 2000 auf den Seiten des Deutschen MuseumsExterner Link veröffentlicht worden. Die Zweitpublikation erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors, der als Bibliothekar im Deutschen Museum tätig ist.


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