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Zedler, sein Lexikon und das historische Umfeld

Das Wissen der Menschheit ist gewaltig, aber leider auf viele Köpfe (und Bücher) verteilt. Jeder, der ein Problem zu lösen hat, muß herausfinden, ob sich schon ein anderer vor ihm erfolgreich mit diesem Problem auseinandergesetzt hat. Das Internet ist dabei sicher eine große Hilfe, aber es ersetzt keineswegs herkömmliche Suchstrategien.

In unserem letzten Beitrag zu Athanasius Kirchers Buch über den Babylonischen Turm wurde bereits die Frage thematisiert, wie die adamitische Allwissenheit über die Sintflut hinweg einer neu aufwachsenden Menschheit tradiert werden konnte. Dieses Problem der Wissenstradierung wird die Menschheit verfolgen, so lange es sie gibt. Als Antwort darauf sind in Ost und West über die Jahrhunderte hinweg unterschiedliche Bildungssysteme entwickelt worden. Die schulische Lehre wird dabei meist ergänzt durch in Büchern niedergelegtes Wissen. Der Zugang zu diesem Bücherwissen wird erschlossen durch Kataloge, Bibliographien und - Lexika oder Enzyklopädien.

In unserem heutigen Beitrag beschäftigen wir uns mit dem umfangreichsten (zum Abschluß gekommenen) lexikalischen Werk des Abendlandes, dem "Grossen vollständigen Universal-Lexicon", nach seinem Verleger kurz der "Zedler" genannt. Dieses Monument barocker Gelehrsamkeit, errichtet zwischen 1731 und 1754, enthält in 68 Foliobänden, auf 62.571 Seiten, rund 750.000 Artikel!

Bevor wir uns dem "Zedler" selbst zuwenden, wollen wir zunächst einen Blick auf die Ursprünge werfen. Die Begriffe "Lexikon" und "Enzyklopädie" wurden erst in der Neuzeit in ihrem heutigen Wortverstand gebraucht, wenngleich beide der griechischen Sprache entlehnt sind. "Enkyklopaidaia" bedeutet im Griechischen den ganzen "Bildungskreis", den ein freier Mann durchschritten haben sollte, bevor er sich seinem Fachberuf zuwandte. (Die Betonung liegt auf Mann: Staatliche Töchterschulen wurden in Deutschland zum Beispiel erst 1870 eingerichtet. Bis dahin war weibliche Bildung Privatangelegenheit.) Eine Enzyklopädie ist demnach ein Buch, in dem alles niedergelegt ist, was ein gebildeter Bürger wissen sollte.

Es hat den Anschein, daß die das Gespräch bevorzugenden Griechen keine "Enzyklopädie" geschaffen haben. Anders die Römer. Der von Caesar zum Reichsbibliothekar ernannte Polyhistor Marcus Terentius Varro schrieb nicht weniger als 500 "Bücher" (also Schriftrollen), darunter auch die (leider nicht erhaltenen) "Disciplinarum libri IX", eine der frühesten Enzyklopädien. Wie dringlich eine solche Zusammenfassung des Wissens war, mag daraus erhellen, daß in der Bibliothek Alexandrias in Ägypten um diese Zeit 700.000 Schriftrollen magaziniert waren.

Aus der "Institutio oratoria", also dem "Handbuch der Rhetorik" des Redners und Rhetoriklehrers Marcus Fabius Quintilianus (um 30 - um 96) gewinnen wir einen guten Eindruck von den Bildungszielen im klassischen Rom. Man betrachtet die formalrhetorische Ausbildung als Grundlage einer ganzheitlichen, sittlich fundierten Erziehung. Quintilians Werk sollte im Humanismus Furore machen.

Ein Schlüsselwerk für den abendländischen Bildungskanon bildet die in eine allegorische Rahmenhandlung eingefügte Enzyklopädie "De Nuptiis Philologiae er Mercurii" des heidnischen Juristen Martianus Capella aus Karthago (5. Jh.). Aus Anlaß ihrer Heirat mit Merkur, dem Gott der Beredsamkeit, erhält die kluge Philologia als Brautgabe die "Artes" als sieben Dienerinnen. Auch wenn Martianus in "Kindlers neuem Literaturlexikon" als Stümper abqualifiziert wird, wurde er trotzdem bis ins späte Mittelalter noch höher geschätzt als der römische Dichter Vergil.

Mit den "Artes" sind die "Artes liberales", das heißt die eines freien Mannes würdigen Kenntnisse gemeint. Sie wurden im Mittelalter in das Trivium (Grammatik, Dialektik, Rhetorik) und das Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) eingeteilt. Aus den "Artes liberales" enwickelte sich an den späteren Universitäten die "Artisten-Fakultät". An dieser durchlief man ein Grundstudium, bevor man sich einer der drei klassischen Fächer zuwandte, der Theologie, der Jurisprudenz oder der Medizin. Neben den "Freien Künsten" gab es übrigens auch die "Mechanischen Künste": Weberei, Schnitzerei, Malerei, Kriegskunst, Schiffahrt, Landwirtschaft, Medizin.

Geistesgeschichtlich interessant ist, daß die mittelalterlichen "Enzyklopädien", seien es die "Etymologien" Isidors von Sevilla (7. Jh.), der "Speculum universale" des Vinzenz von Beauvais (13. Jh.) oder die zahlreichen "De natura rerum" genannten Werke (Hrabanus Maurus im 10. Jh., Thomas von Chantimpré im 13. Jh.) letztlich nicht auf die Darstellung von Sachwissen abzielten, sondern die tiefere, moralisch-allegorische Bedeutung der Dinge vermitteln wollten. Man glaubte auch, aus der Etymologie eines Wortes das "Wesen" des mit ihm benannten Dinges zu erkennen. Der heutige Spott über die philologisch oft haarsträubenden mittelalterlichen Wortableitungen ist letztlich nur Ausdruck unseres mangelnden Verständnisses für die Absichten der damaligen Autoren.

In der Epoche der Renaissance, vor allem durch die Bewegung des Humanismus, begann sich die Wissenschaft allmählich von der übermächtigen Theologie zu emanzipieren. Die lateinische Sprache blieb aber weiterhin Medium gelehrter Verständigung.

Machen wir nun einen großen zeitlichen Sprung ins 17. Jahrhundert. Mit dem "Grand dictionnaire historique ou le mélange curieux de l'histoire sainte et profane" des Theologen und Autors auch galanter Werke Louis Moréri (1643-1690) von 1674 schlägt die Geburtsstunde des modernen, nationalsprachlichen Lexikons. Wir werden weiter unten auf die deutsche Übersetzung dieses Lexikons zurückkommen, die unter dem Titel "Allgemeines historisches Lexicon" 1709 von Johann Franz Budde bei Thomas Fritsch in Leipzig herausgebracht wurde.

In Deutschland setzt um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert eine rege Produktion von (meist einbändigen) Fachlexika ein. Der führende Verlagsort war Leipzig mit den Verlagen Fritsch, Gleditsch und Weidmann. Die Bibliographie von Christian Heinrich Schmid von 1791 nennt bereits 220 einschlägige Werke!

1727 eröffnet der Breslauer Schuhmacherssohn Johann Heinrich Zedler, gerade mal 21 Jahre alt, in Leipzig eine Buchhandlung. Ganz gegen den Brauch seiner Zeit hatte er nicht das väterliche Handwerk erlernt, sondern in Breslau und dann später in Hamburg den Beruf des Buchhändlers. Die Heirat (1726) mit der Freiberger Kaufmannstochter Christiane Dorothea Richter schuf einen gewissen finanziellen Rückhalt. Daß sie 11 Jahre älter war, fiel dagegen nicht ins Gewicht. Die Liebesheirat wurde erst in der Romantik erfunden.

Die überwiegend protestantische kursächsische Stadt Leipzig dürfte damals etwa 30.000 Einwohner gezählt haben. Sie war ein wichtiger Handelsplatz. 1701 wurde, eine damalige Rarität, Straßenbeleuchtung eingeführt! Als Austragungsort für die Buchmesse hatte sie Frankfurt am Main schon seit geraumer Zeit abgelöst. Die Universität wurde 1409 gegründet. An ihr lehrte u.a. Christian Thomasius, der dort 1687 die erste deutschsprachige Vorlesung an einer deutschen Hochschule hielt. Der bedeutende Aufklärer Johann Christoph Gottsched war 1724 mit seiner hochgescheiten Frau Luise Adelgunde nach Leipzig gekommen.

Zedlers erstes Verlagsprodukt sei wegen Kardinal Ratzingers jüngster Verlautbarung betreffend den absoluten Vorrang der katholischen Kirche kurz zitiert: "Johann Gotthard Beyers Usprüngliche Quellen des Indifferentismi Oder Ursachen der närrischen Meynung: Man kann in allen Religionen seelig werden, Zur Bevestigung der Warheit und Ausrottung der Irrthümer. Leipzig, Verlegts Johann Heinrich Zedler, 1727". Wie lange der Fortschritt doch manchmal auf sich warten läßt! Aber man muß schon zufrieden sein, wenn nur die Irrtümer und nicht die Irrenden ausgerottet werden.

Bereits zwei Jahre später, 1729, startete Zedler das erste seiner zahlreichen Großprojekte, im geliebten Folio-Format, eine Luther-Gesamtausgabe in 22 Bänden (1729-1734). Sein Schwager lieh ihm 2665 Taler, um die Sache in Gang zu bringen. Die alteingesessene Konkurrenz der Fritsch, Gleditsch und Weidmann wunderte sich, was sich der nunmehr 23-jährige Zedler da zutraute. Doch als Zedler am 26.3.1730 in einer Anzeige sein nächstes Projekt ankündigte, nämlich ein "Universal-Lexicon" in 8 Bd., hörte sich der Spaß auf.

Am meisten erbost war die Firma Fritsch Erben. Der alte Thomas Fritsch hatte, wie oben bereits erwähnt, das Morérische Lexikon 1709 unter dem Titel "Allgemeines historisches Lexicon" auf deutsch herausgebracht. Sein Sohn Caspar plante eine Neuauflage und hatte dafür 1726 ein kursächsisches Privileg erwirkt. Wegen verschiedener Verzögerungen erschien der erste Band allerdings erst 1730. Fritsch junior war überzeugt, Zedler könne sein Lexikon nur realisieren, wenn er das Fritsch'sche Lexikons ausplünderte. Als nun Zedler bei der Leipziger Bücherkommission ein kursächsisches Privileg für sein geplantes "Univeral-Lexicon" beantragen wollte, lief Fritsch deshalb dagegen Sturm, und mit Erfolg. Die Behörde verweigerte Zedler das Privileg und verbot ihm bei 300 Talern Strafe, Artikel aus dem "Historischen Lexicon" in sein "Universal-Lexicon" zu übernehmen.

Es hilft Zedler nichts, daß er am 19.10.1730 in einem Artikel in den "Leipziger Neuen Zeitungen" betont, "daß man keines anderen Wercke ausschreiben ... werde, weil zu dessen (des Lexikons) Ausarbeitung solche vornehme und gelehrte Männer gefunden, welche solches nicht nöthig, sondern gar wohl im Stande, ihre Articul selbsten auszuarbeiten." Wie er den ersten Band seines Lexikons 1731 zur Messe herausbringt, wird dieser auf Betreiben seiner Gegner umgehend beschlagnahmt.

In dieser Notlage kommt der Hallenser Professor Johann Peter von Ludewig, Ordinarius der juristischen Fakultät, Zedler zu Hilfe. Man muß dazu wissen, daß Halle damals auf preußischem Staatsgebiet lag. Mit Ludewigs Unterstützung verlegt Zedler seinen Geschäftssitz nach Halle und kann so das Lexikon ungestört in der Druckerei der dortigen Franckeschen Waisenhaus-Stiftung herstellen lassen. Allerdings ist ihm Sachsen und die Messestadt Leipzig versperrt. Das bereitet ihm einiges Kopfzerbrechen, denn er hat sein Lexikon äußert knapp kalkuliert, den Band für zwei Taler, ein wahrer Kampfpreis!

Noch 1731 beantragt Zedler ein kaiserliches Privileg auf 12 Jahre und ein preußisches Privileg auf 5 Jahre. Um seinem Antrag nachzuhelfen, widmet er den Nachdruck des in Leipzig beschlagnahmten ersten Bandes Kaiser Karl VI., den zweiten Band aber König Friedrich Wilhelm von Preußen. Der dritte Band wird Friedrich August, König von Polen und Kurfürst von Sachsen (!) gewidmet sein. Diese Taktik hatte Zedler bereits bei seiner Luther-Ausgabe erprobt. Dort hatte er 1728 für eine Widmung an Herzog Christian zu Sachsen-Weissenfels sogar "den Charakter eines Commercien-Rathes" verliehen bekommen. Auch beim "Universal-Lexicon" enthält jeder Band ein Porträt des Dedikationsempfängers und eine ausführliche Widmung.

Für uns Heutige ist der schwülstige Tonfall dieser Widmungen kaum erträglich. So heißt es etwa in der Widmung an Kaiser Karl VI.: " ... ie mehr ich mich überzeugen konnte, daß das Höchste Wesen selbst sich kaum iemahls in einem Monarchen schöner als in dem heutigen Großmächtigsten Beherrscher des Reichs, und seiner Allerdurchlauchtigsten Heldin (seine Gattin Elisabeth Christine), gespiegelt."

Professor von Ludewig eröffnet das "Universal-Lexicon" mit einer sechzehnseitigen programmatischen Vorrede. Er rühmt Zedler mit den Worten, sein Lexikon sei "ein Werck, daran noch kein anderer, weder in Teutschland, noch außerhalb in andern Reichen und Staaten, sich wagen dürfen." Es folgt ein Seitenhieb gegen Zedlers Widersacher: "... nach überwundenen unsäglichen Hindernissen, die abgönstige und eigennützige Leute ihme gemachet." Über den Mitarbeiterstab und dessen Arbeitsweise werden wir nicht näher informiert. In der Vorrede heißt es lediglich, Zedler "läßt keine Lexica zusammen schreiben und anderer Leute ihre Arbeit drucken. Er hält und besoldet seine neun Musen oder Mitarbeiter darauf: daß jeder selbsten in seiner Art oder metier sein Heil versuchen möge. Er will aber und kann denselben den Weg und Mittel nicht verwehren oder verschließen, daß sie nicht hierzu dienliche Bücher brauchen, und also die vorhero geschriebenen Lexica mit ansehen."

Professor von Ludewig unterstreicht auch, daß ein Subskribent mit dem einen "Universal-Lexicon" zugleich eine Summe aus zahlreichen Einzel-Lexika erwirbt. Er träfe darinnen "ein

  • 1. biblisches
  • 2. theologisches
  • 3. juristisches
  • 4. medicinisches
  • 5. philosophisches
  • 6. mathematisches
  • 7. Staats
  • 8. Zeitungs
  • 9. Kauf- und Handels
  • 10. Handwercks
  • 11. Haushaltungs- und Wirthschafts
  • 12. Alterthums
  • 13. der Gelehrten
  • 14. Berühmten
  • 15. Heiligen
  • 16. vornehmen Standes
  • 17. Geschichts und Historisches
  • 18. poetisches
  • 19. geographisches
  • 20. philologisches
  • 21. Kunst und
  • 22. Natur-Lexicon oder Sachen beysammen an ..."

Rund 1500 Subskribenten fanden sich für den "Zedler". Die Auflage dürfte bei knapp 2000 Exemplaren gelegen haben.

Wenn wir auch nicht die einzelnen Mitarbeiter kennen, so wissen wir doch, wer die Hauptredakteure waren. Die beiden ersten Bände wurden von Jacob August Franckenstein betreut, einem Leipziger Professor für Geschichte und Politik. Nach seinem Rückzug übernimmt Paul Daniel Longolius, Leipziger Magister der Philologie, die Herausgabe der Bände 3-18 (bis Buchstabe L). Nach seiner Berufung nach Hof als Rektor des dortigen Gymnasiums tritt der Leipziger Professor der Weltweisheit Carl Günther Ludovici seine Nachfolge an. Er ist von nun an der Kopf des Unternehmens. Mit unermüdlichem Einsatz kümmert er sich um Fortgang und glücklichen Abschluß des Werkes, redigiert er die Bände 19. 1739 (Buchstabe M) bis 64. 1750 (Buchstabe Z).

Nach Zedlers Tod (dieser stirbt, erst 46 Jahre alt, am 21.3.1751) bringt Ludovici sogar noch eine Supplement-Reihe in Gang. Denn wie man aus der Buchstabenverteilung sieht, ist der "Zedler" unter Ludovicis Herausgeberschaft wesentlich gründlicher und damit auch ausführlicher geworden. (Gelegentlich schoß Ludovici dabei wirklich übers Ziel hinaus. So umfaßt der Lexikon-Artikel "Wolfische Philosophie" ganze 349 Spalten, dazu kommt noch der biographische Artikel "Christian Wolf" mit 128 Spalten!) Ludovici wollte deshalb durch geplante 8 Supplement-Bände die ersten 18 Bände auf das Niveau der von ihm verantworteten Bände 19 bis 64 bringen. Aber diesmal war ihm kein Erfolg beschieden. Nur 4 Supplement-Bände kamen zwischen 1751 und 1754 zustande. Dann wurde das Lexikon bei der Buchstabenfolge Caq endgültig eingestellt.

1733 hatte Zedler in einer Anzeige noch von höchstens 16 Bänden gesprochen, beim Oberkonsistorium in Dresden (im Rahmen seiner kursächsischen Privilegien-Verhandlungen), um die wirtschaftliche Bedeutung seines Unternehmens für Sachsen herauszustreichen, von 24 Bänden. Es wurden aber dann schließlich doch 68 Foliobände.

Es würde zu weit führen, wenn wir auf all die Widrigkeiten, die Zedler während der zwanzig Produktionsjahre zu überwinden hatte, näher eingehen wollten. Stellen wir nur fest, daß er, der Schusterssohn ohne gelehrte Bildung, ohne große verlegerische Erfahrung, ohne finanziellen Hintergrund in seinem kurzen Leben Unglaubliches geleistet hat.

Der "Zedler" ist ein typisches Erzeugnis barocker gelehrter Sammelleidenschaft, eine gigantische Anhäufung von vor allem historischen, genealogischen, biographischen, bibliographischen und geographischen Daten. Man rechnet Werke wie den "Zedler" zum Inventartyp. Durch diesen altmodischen Zuschnitt ist er für die historische Forschung heute immer noch als echtes Nachschlagewerk aktuell, während modernere, ideologisch geprägte Werke wie die "Encyclopédie" von Diderot und d'Alembert nur noch als kulturgeschichtliche Quellen Verwendung finden.

Wir wollen in Sachen "Zedler" Ludovici das letzte Wort lassen. Er schreibt in derVorrede zum ersten Supplementband von 1751: "Es soll ja das Universal-Lexicon benebenst den Supplementen, ein allgemein nützlicher Bau aller Künste und Wissenschaften seyn, an dessen Aufführung ich weiter keinen Theil nehmen kann, außer daß ich dasjenige, was andere entweder in ihren Büchern vorgetragen, oder mir schriftlich überschicket haben, an seinen Ort und auf die füglichste Art hinbringe und mit einander gehörig verbinde. Wie etwan ein Baumeister die Materialien nicht selbst verfertiget, sondern sie nur auf eine geschickte Art zusammen zu setzen suchet. Solchergestalt stehet jedem frey, an dem Großen Universal-Lexico arbeiten zu helfen, ja es wird mir ein so größeres Vergnügen und Ehre seyn, je mehrere gemeinschaftlich mit mir Hand an die Vollständigkeit eines solchen Werkes geleget haben, das ohne Zweifel auch noch in den spätesten Zeiten seine guten Dienste thun wird."

Interessant für den veränderten Wissenschaftsbetrieb ist Ludovicis Bemerkung: "Die Gedächtnis-Gelehrten, oder diejenige Classe der Gelehrten, welche das erlernte Lehrgebäude ihrer Wissenschafft nicht anders als die Nonnen den Psalter, an den Fingern herzusagen wissen, kommen gantz aus der Mode ... Dagegen rühmet und erhebet man allein die, welche ihren Verstand anstrengen, ihre Wissenschafft durch Nachdencken und Überdencken begreiffen, und solche auf demonstrativische Art wieder vorzutragen suchen ... so möchte man wohl das gegenwärtige das demonstrativische (Jahrhundert) nennen." Dieser hohe Anspruch wurde dann allerdings erst von der französischen "Encyclopédie" (1751-1780) eingelöst.

Wenn Ludovici 1739 im Vorwort zu Bd. 19 schreibt: "Niemals ist an dem Wachsthume der Künste und Wissenschafften mehr gearbeitet worden, als in den ietzigen Tagen. Die Anzahl der Menschen, und zugleich der Künstler und Gelehrten, wächset täglich zusehends ...", so wird deutlich, daß mit dem Zedler die Zeit der wissenschaftlichen Universallexika endgültig abgelaufen ist. Das exponentielle Wachstum des zu erfassenden Stoffes sprengt von nun an jeden Rahmen. Den Beweis liefert uns ein letzter, vergeblicher Versuch zu einer umfassenden gelehrten Enzyklopädie im 19. Jahrhundert, der sogenannte "Ersch-Gruber". Er startete 1818 mit Teil 1 und wurde 1889 mit Teil 167 eingestellt. Bei ihm wurde die Gelehrsamkeit manchmal auch wirklich ad Absurdum geführt: Der Artikel "Griechenland" umfaßt ganze 8 Bände (3.500 Seiten!) So macht man kein Lexikon!

Um 1750 kommt es zu einer Aufteilung des Marktes. Für die Gelehrten beginnen die (häufig ebenfalls umfangreichen) fachbezogenen Realenzyklopädie zu erscheinen, für die "gebildeten Stände" publiziert man die später "Konversationslexikon" genannten Werke, die auf Johann Hübners höchst erfolgreiches "Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon" von 1704 zurückgehen. Bezeichnenderweise ändert Hübner bereits bei der 4. Aufl. von 1709 den Titel in "Reales Staats-, Zeitungs- und Conversations-Lexicon" ab.

Eine letzte Bemerkung: Lösten gegen Ende des 17. Jahrhunderts die nationalsprachigen Werke die lateinischen ab, so stehen wir heute vor einem ähnlichen Umbruch. Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Großwerke haben fast allesamt seit Mitte der 80er Jahre auf die neue Universalsprache Englisch umgestellt.

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